In vielen Familien ist der Nachmittag, wenn die Kids aus der Schule nach Hause kommen und Hausaufgaben machen sollen, die schlimmste Zeit des Tages. Hat der Streit über den (Un-) Sinn von Lernen und Hausaufgaben erst eingesetzt, ist es oft ein harter Weg, aus dieser Abwärtsspirale wieder herauszufinden.
Vielleicht kommt dir folgende Szene bekannt vor:
Kind: "Ich habe keine Lust, die Hausaufgaben zu machen."
Mutter: "Die gehören nun mal zur Schule dazu."
Kind: "Das ist doch alles blöd."
Mutter: "Wenn du das jetzt schnell fertig machst, kannst du noch einen Freund besuchen."
Kind reagiert nicht.
Mutter genervt: "Fang jetzt endlich an!"
Kind: "Na meinetwegen."
Mutter sehr nett: "Siehst du, es ist doch gar nicht so schlimm."
Kind aggressiv: "Ich habe aber keine Lust!!!"
Mutter: "Komm' schon."
Kind: "Höchstens 10 Minuten."
...
Die Realität
So oder ähnlich passiert es in vielen, vielen deutschen Haushalten jeden Tag. Der Sohn/die Tochter kommt nach Hause und möchte keine Hausaufgaben machen. Die Mutter oder der Vater versuchen mit Engelszungen vergeblich, das Kind zum Lernen/zu den Hausaufgaben zu überreden. Nach kurzer Zeit kippt die Stimmung, alle sind gereizt und ein heftiger Streit bricht vom Zaun. Ans Hausaufgaben machen ist in dieser aufgeheizten Situation nicht mehr zu denken.
Was sagt denn die oben beschriebene Szene? Die Mutter sagt sinngemäß: "Du sollst lernen", das Kind sagt "ich will nicht lernen". Das Kind will das Lernen vermeiden und den Kampf mit der Mutter gewinnen. Das gelingt dem Kind in jedem Fall, denn während es mit der Mutter diskutiert, lernt es nicht, bleibt zwar irgendwie am Tisch sitzen, aber ist nicht richtig bei der Sache. Indirekt wird das Kind durch das Verhalten der Mutter belohnt und sie trainiert unbewusst ihr Kind, beim Lernen Widerstand zu leisten.
Die Mutter sendet in diesem Beispiel viele Beziehungssignale, die das widerständige Verhalten unterstützen - indem sie mit sehr netter, warmer Stimme spricht, dem Kind zugewandt ist und Zeit mit ihm verbringt.
Belohnung durch Machtgewinn
Ebenso kann das Kind in der Situation ein Gefühl von Macht spüren. "Mama will etwas von mir, ich verweigere das aber. Ich habe die Oberhand." Jeder Moment, in dem das Kind sich während der Diskussion erfolgreich vor den Hausaufgaben drückt, ist ein Machtgewinn, den das Kind als Belohnung/Zufriedenheit wahrnimmt.
Durch das Vermeiden des Lernens wird ebenfalls der Widerstand belohnt. Das Kind macht die Aufgaben zwar dann vielleicht irgendwie, braucht sich aber nicht so sehr anzustrengen. Die Mutter ist ja froh, wenn das Kind überhaupt anfängt, Hausaufgaben zu machen. Das Lernen vermeiden wollen Kinder meistens, wenn das Lernen unangenehm gestaltet, mit negativen Gefühlen behaftet oder das Kind von den Aufgaben überfordert ist. Da lohnt es sich häufig, das Lernen für das Kind angenehmer zu machen, in dem die Aufgaben z.B. leichter gemacht und Fehler nicht bestraft werden. Merke: für ALLE Kinder sind Zuwendung, Macht und das Vermeiden von etwas Unangenehmen während der Auseinandersetzung mit den Eltern oder anderen Bezugspersonen ein Gewinn. Leider festigen Widerstände beim Lernen auf die Dauer das schlechte Gefühl beim Lernen und das Kind wird unter Umständen massiv traumatisiert.
Der Teufelskreis beginnt
Wenn viel Zeit in Diskussionen, Machtkämpfe über das Lernen und die Hausaufgaben verschwendet werden, bleibt ja gleichzeitig viel weniger Zeit für die Arbeit. Die Folge: aus einer Aufgabe, die ohne Widerstand in 20 Minuten erledigt wäre, wird eine Stunde oder länger diskutiert, um dann widerwillig und mit wenig Motivation irgendwie gemacht zu werden und der gesamte Nachmittag ist vom Thema Hausaufgaben negativ belastet.
Die weitverbreitete Annahme, dass der Kampf um die Hausaufgaben besonders die Kinder betrifft, die generell wenig Zuwendung von ihren Eltern spüren und diese dann in der Auseinandersetzung bei den Schularbeiten einfordern, stimmt nur zum Teil. Besonders Kinder, die ALLES bekommen, fordern in allen möglichen Bereichen ALLES ein, um noch mehr zusätzliche Macht und Zuwendung zu erfahren.
Die Situation ist also ganz schön verzwickt. Daher ist es auch gar nicht so einfach, Tipps zu geben, wie Familien am besten mit solch angespannter Lage umgehen können.
Mögliche Hilfestellungen
Miteinander reden ist sicherlich schon mal einen ersten Versuch wert. Allerdings bringt Reden gar nichts, wenn die Situation gerade schon hochgekocht ist und alle Beteiligten genervt sind. Daher ist es auf jeden Fall besser, eine ruhige, harmonische Gelegenheit abzuwarten, um das Thema auf den Tisch zu bringen. In einer Widerstandssituation einfach nachgeben, aber auch stärkeres Kritisieren mit Vorwürfen oder gar Schreien führt in der Regel nur zu noch mehr Unlust am Lernen und die Kinder blockieren und verschließen sich nur noch mehr.
Möglicherweise kann es helfen, das Lernen abzubrechen. Denn mal ehrlich: was bringt denn eine stundenlange Diskussion, außer Frust auf beiden Seiten? Dann lieber die Situation beenden. Immerhin ist das Kind dann selbst dafür verantwortlich, wenn es am nächsten Tag in der Schule die Hausaufgaben nicht vorzeigen kann, oder es in einem Test eine schlechte Note schreibt, weil nicht gelernt worden ist. Natürlich wollen wir Eltern das nicht. Aber diese negativen Folgen sind nur kurzfristiger Art, um langfristig eine positive Veränderung zu erreichen. Durch den Abbruch der Situation wird dem Kind die Zuwendung und der Machtgewinn entzogen. Diese ungewohnte Reaktion von Mutter oder Vater, einfach aufzustehen und zu gehen, ist manchmal sehr erfolgreich.
Sitzt der Lernfrust schon sehr sehr tief, reicht dies als Maßnahme oft nicht aus. In dem Fall könnte eine vorher vereinbarte Belohnung helfen, die dann als zusätzliche Konsequenz eben ausbleibt, sobald das Lernen wieder verweigert wird. Oder alternativ: es wird etwas Bestehendes gestrichen. Diese Maßnahme muss also noch am selben Tag ergriffen werden können. Das Streichen des Fußballtrainings, dass eh nur 1x die Woche stattfindet, ist dann sicherlich ungeeignet.
Falls du betroffen bist und immer wieder mit Machtkämpfen deines Kindes konfrontiert wirst, verlange nicht, dass sich die Situation von heute auf morgen radikal ändert. Sondern vereinbare mit deinem Kind kleine Teilziele, an denen ihr arbeitet, um die Lernzeit zuhause Schritt für Schritt zu bessern, ohne dass dein Kind dabei überfordert wird.
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