Manchmal kommt es ganz anders, als man denkt. Nie hätte ich geglaubt, dass mein Sohn irgendwann einmal sagt: "Mama, Latein lernen macht jetzt Spaß!". Aber genau so war's. Lies' gerne selbst die Geschichte über meinen ganz persönlichen Aha-Moment im Lerncoaching.
Ich bin ja jetzt schon eine ganze Weile Lerncoach und konnte bereits vielen Kids und Jugendlichen mit dem Coaching helfen. Doch ausgerechnet mein eigener, jüngerer Sohn (gerade noch 6. Klasse Gymnasium) war bislang mein stärkster Gegner. Freunde und Bekannte schüttelten schon oft den Kopf und zweifelten an meinem Lerncoach-Können, müssten meine eigenen Kinder doch am meisten vom Coaching profitieren und Lernprofis sein, wenn schon der Lerncoach im gleichen Haushalt wohnt.
Kinder haben ihren eigenen Kopf
Jaaaa, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Viele Kollegen und Kolleginnen haben mir auch schon davon berichtet, dass es schwer ist, die eigenen Kids zu coachen. Das Verhältnis ist ein ganz anderes und gerade wenn das Kind schon auf die Pubertät zusteuert, wird es oft beratungsresistent den Eltern gegenüber (vielleicht kennst du das ja auch ;-)).
Die Umstellung von der Grundschule ans Gymnasium fiel bei meinem Sohn genau in die erste Zeit der Coronapandemie, mit Lockdowns, Homeschooling und Co. Das war wirklich kein guter Einstieg in die weiterführende Schule und ich glaube, dass er erst jetzt so ganz langsam dort angekommen ist, sich an die Abläufe, Arbeitsweise und -tempo usw. gewöhnt hat.
Immer wieder habe ich meinem Sohn die Lerntechniken gezeigt, was Neues ausprobiert und viel mit ihm geredet. Es hat auch hier und da gut geklappt, aber er ist immer wieder zurück in alte Verhaltensmuster gefallen. Natürlich gab es auch Streit und Frust bei den Hausaufgaben. Er war nicht wirklich überzeugt von meinen Ratschlägen und hat es aus Prinzip dann oft anders gemacht.
Ich hatte große Selbstzweifel
Mich haben wirklich Selbstzweifel gequält. Warum klappt das Lerncoaching bei fremden Kindern super und bei meinem Kind überhaupt nicht? Was mache ich falsch? Bin ich vielleicht doch kein guter Lerncoach und nur bisher Glück mit meinen Coachees? Ich wusste wirklich nicht mehr, was ich noch versuchen könnte, um meinem Sohn zu zeigen, dass Lernen auch Spaß machen kann. Das ausgerechnet eine anstehende Latein-Schulaufgabe die Wende bringen würde, hätte ich nie im Leben gedacht.
Ich selbst habe mich früher mit Latein in der Schule geplagt. Das war immer mein schlechtestes Fach. Da kann ich es meinem Sohn ja fast nicht verübeln, dass es ihm genauso geht. Kurz vor den Pfingstferien hatte ich noch ein Gespräch mit seiner Lehrerin, dass er "den Hebel jetzt herumreißen müsse". So haben wir wohl oder übel in unser Reisegepäck für den Urlaub auch die Latein-Sachen gepackt. Schließlich sollte die nächste Schulaufgabe direkt nach den Ferien stattfinden.
Die Wende
Wir haben den Urlaub nicht stundenlang mit Latein lernen verbracht, aber hier und da mal eine halbe Stunde dafür "geopfert". Auch hier gab es Hochs und Tiefs, mal hat es gut geklappt, mal überhaupt nicht. Wieder gab es Gespräche. Wie oft habe ich meinem Kind schon gesagt, dass es sich nicht gegen das Lernen wehren, sondern die Situation annehmen soll. Ganz oft haben wir auch schon darüber gesprochen, dass Streit beim Lernen nur schlechte Stimmung macht, aber mit Sicherheit nicht zum Lernerfolg beiträgt. Geholfen hat das bis dato nicht.
Zurück zuhause, am zweiten Schultag nach den Ferien und gleichzeitig 3 Tage vor der besagten Schulaufgabe, war bei meinem Sohn plötzlich etwas anders. Er hat sich freiwillig zum Lernen hingesetzt, noch ein paar Lerninhalte zum Üben auf Karteikarten geschrieben und war viel gelassener dabei als sonst. Als ich ihn auf sein "seltsames" Verhalten angesprochen habe, bekam ich als Antwort: "Ich habe gemerkt, dass ich viel besser lernen kann, wenn ich mich nicht immer dagegen sträube und mich nicht über meine Fehler ärgere. Dann streiten wir uns nicht und haben keine schlechte Stimmung und dann kann ich mir die Sachen auch viel leichter merken."
Die folgenden Tage bin ich aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Es ging sogar so weit, dass mein Kind während dem Lernen von Latein-Vokabeln ein Dauergrinsen im Gesicht hatte und sich bei mir darüber beschwert hat, dass nicht mehr Vokabeln auf der Seite stehen, die er lernen kann - weil ihm das Ausdenken lustiger Geschichten als Eselsbrücken für die Übersetzung soooo viel Spaß gemacht hat. Und den Satz "Mama, ich hätte nie gedacht, dass Latein lernen so viel Spaß machen kann!" werde ich nie vergessen. Da bin ich fast rückwärts vom Stuhl gefallen und konnte es kaum glauben. Welche Note am Ende bei der Schulaufgabe rausgekommen ist, weiß ich heute, wo ich diesen Artikel schreibe, noch nicht. Aber das ist auch gar nicht so wichtig.
Wie kam es dazu?
Ganz ehrlich? Ich weiß nicht, was genau der Gamechanger war. Ich habe im Urlaub öfter darüber nachgedacht, warum es mit dem Lernen bisher nicht so gut geklappt hat. Vielleicht wollte ich bisher zu sehr, dass mein Kind meine tollen Lerntechniken selbstständig anwendet. Vielleicht war ich einfach nicht gelassen genug.
Ich denke, die Kombination aus mehreren Faktoren kam da zusammen. Wir waren beide gelassener im Urlaub (kein Terminstress usw.). Ich konnte mich ganz auf ihn konzentrieren und er sich auf die Aufgaben...keine 100 anderen Dinge, die noch im Raum standen und auch erledigt werden mussten. Das Handy mal WIRKLICH zur Seite legen. Und wir haben wirklich offen und in Ruhe geredet. Ich hab nochmal klar gemacht, dass es mir keinen Spaß macht, wenn wir uns beim Lernen in die Haare kriegen und dass es mir wichtig ist, dass wir als Team mit- und nicht gegeneinander arbeiten. Er hat das auch selbst bestätigt - dass es ihm auch besser geht, wenn wir nicht streiten.
Ich hab meinen Sohn darum gebeten, die Situation anzunehmen. Zu akzeptieren, dass Latein wohl nie sein bestes und liebstes Fach werden wird, aber muss es ja auch gar nicht. Wenn wir ausgemacht haben, vor dem Baden gehen noch eine halbe Stunde zu lernen, haben wir einen Wecker gestellt und nach einer halben Stunde auch wirklich aufgehört. Und ich hab ihn ganz viel selbst entscheiden lassen - welche Aufgaben oder Vokabeln er machen möchte, ihn immer wieder gelobt und das, was gut gelaufen ist in den Vordergrund gestellt - nicht die Fehler.
Ich denke, mein größtes Learning bei der Sache war ich selbst. Ich habe meine eigene Einstellung zum Lernen verändert und selbst das beherzigt, was ich sonst anderen Eltern an Ratschlägen mitgebe und mit der Veränderung bei mir hat sich auch die Einstellung meines Sohnes geändert.
Vielleicht ... Ach, ich hinterfrage es jetzt nicht mehr, sondern freue mich lieber über die neue Situation - die hoffentlich ganz lange anhält.
Und ich wünsche dir und allen Eltern, dass sie auch solche Glücksmomente erleben dürfen. Es ist wirklich unfassbar schön, wenn man dem Kind beim Lernen in ein lachendes Gesicht blicken kann, weil plötzlich alles ganz leicht ist.
Ich bin immernoch davon überzeugt, dass jedes Kind gerne lernt, wenn man es lässt. Auch wenn es bei meinem eigenen Kind extrem lange gedauert hat, bis der Wendepunkt kam. Ich bin mir sicher, dass man das mit viel viel Geduld bei jedem Kind erreichen kann und das ist die Arbeit auf jeden Fall wert!
Daher meine Bitte an dich: Gib die Hoffnung nie auf und glaube daran, dass auch dein Kind ein Gernelerner werden kann. Es dauert halt manchmal einfach länger oder auch viel länger. Hab Geduld und freue dich dann über den Moment, wenn er da ist. ❤️
Commenti